Alufelgen: Von der Herstellung auf die Straße – Alles was Sie über Zulassung und Sicherheit wissen müssen


Alufelgen verleihen jedem Fahrzeug einen individuellen Look und können die Fahreigenschaften positiv beeinflussen. Doch hinter dem ästhetischen Aspekt steckt ein komplexes Regelwerk aus Zulassungsvorschriften und Sicherheitsstandards. Dieser Artikel beleuchtet alle wichtigen Aspekte – von der Herstellung bis zur Montage am Fahrzeug.

Inhaltsverzeichnis


  • Die Herstellung: Präzision und Qualitätsmanagement
    • Materialnormen und Werkstoffanforderungen
    • Fertigungsstandards und Qualitätsmanagement
  • Der Prüfprozess: Härtetest für höchste Sicherheit
    • Korrosionsprüfung
    • Umlaufbiegeprüfung
    • Abrollprüfung
    • Schlagprüfung
  • Die Typgenehmigung: Ihr Sicherheitspass
    • Aufbau und Bedeutung der Typgenehmigungsnummer
    • Modellspezifische Gültigkeit
  • Die Traglast: Das kritische Sicherheitsmerkmal
    • Technische Bedeutung
    • Sicherheitsrelevanz
    • Rechtliche Aspekte
  • Kennzeichnung und Dokumentation: Transparenz für maximale Sicherheit
  • Der Felgenwechsel: Was Fahrzeughalter beachten müssen
    • Vor der Montage
    • Bei der Montage
    • Nach der Montage
  • Fazit: Mehr als nur schöner Schein
  • Quellenangaben

Die Herstellung: Präzision und Qualitätsmanagement


Die Produktion von Alufelgen unterliegt strengsten Auflagen. Bevor eine Felge auf deutschen Straßen zugelassen wird, durchläuft sie einen aufwendigen Herstellungs- und Prüfprozess.

Materialnormen und Werkstoffanforderungen


Das Herzstück jeder Alufelge ist die verwendete Aluminiumlegierung. Die gebräuchlichste ist die EN AB-AlSi7Mg-Legierung mit:

- 6,5-7,5% Siliziumgehalt
- 0,25-0,45% Magnesiumgehalt
- einer Zugfestigkeit von mindestens 230 N/mm²
- einer Streckgrenze von mindestens 180 N/mm²
- einer Bruchdehnung von mindestens 2%

Diese Werte sind keine willkürlichen Zahlen, sondern das Ergebnis intensiver Materialforschung. Die Legierung muss leicht sein, aber gleichzeitig enormen Belastungen standhalten. Jede Charge durchläuft mehrere Prüfverfahren:

- Spektralanalysen zur chemischen Zusammensetzung
- Zugversuche für die mechanischen Eigenschaften
- Härteprüfungen nach Brinell
- Röntgenprüfungen zur Erkennung von Gefügefehlern

Fertigungsstandards und Qualitätsmanagement


Die Fertigung von Alufelgen folgt der strengen IATF 16949-Norm (ehemals ISO/TS 16949). Diese automobilspezifische Erweiterung der ISO 9001 legt höchste Maßstäbe an den Produktionsprozess:

- Lückenlose Dokumentation vom Rohstoff bis zum fertigen Produkt
- Implementierung eines präventiven Fehlermanagement-Systems
- Vollständige Rückverfolgbarkeit jeder einzelnen Felge
- Regelmäßige Schulungen der Mitarbeiter
- Kontinuierliche Verbesserung der Prozesse

Das Qualitätsmanagement umfasst eine werkseigene Produktionskontrolle mit regelmäßigen Stichproben und unabhängigen Überprüfungen durch externe Prüfinstitute. Jede Abweichung muss dokumentiert und analysiert werden, um systemische Fehler auszuschließen.

Der Prüfprozess: Härtetest für höchste Sicherheit


Bevor eine Alufelge eine Typgenehmigung erhält, muss sie eine Reihe anspruchsvoller Tests bestehen, die in der ECE-Regelung Nr. 124 definiert sind. Hier die Prüfungen für Einteilige Räder aus Aluminiumlegierungen:

Korrosionsprüfung

Ein der Serienfertigung entnommenes oberflächenbehandeltes Prüfmuster wird durch Gitterschnitte und simulierten Steinschlag (ISO 565) beschädigt, um Schäden hervorzurufen, die im Fahrbetrieb auftreten (die Schäden müssen sich im Bereich des Felgenhorns und auf der Radinnenseite befinden). Das oberflächenbehandelte Prüfmuster wird mit allen Teilen, mit denen es üblicherweise in Kontakt ist, in aufrechter Stellung der Salzsprühnebelprüfung unterzogen. Das Rad wird alle 48 Stunden um 90° gedreht.

Umlaufbiegeprüfung


Diese Prüfung simuliert die Seitenführungskräfte, die während der Kurvenfahrt auf das Rad wirken. Die Felge wird mit 50% der maximalen Radlast belastet und muss mindestens 200.000 Lastzyklen ohne Beschädigung überstehen. Dies entspricht einer Fahrleistung von etwa 100.000 Kilometern unter normalen Bedingungen.

Abrollprüfung


Auf einer Rolltrommel wird das Fahrverhalten unter Volllast simuliert. Die Felge muss mindestens 500.000 Umdrehungen ohne Materialermüdung bestehen – das entspricht einer Strecke von rund 2.000 Kilometern unter extremen Bedingungen.

Schlagprüfung


Diese Prüfung testet das Verhalten bei Stoßbelastungen, wie sie beim Überfahren von Schlaglöchern oder beim Bordsteinkontakt auftreten. Ein definiertes Gewicht wird aus einer festgelegten Höhe auf den Felgenhorn-Bereich fallen gelassen. Die Felge darf dabei keine sicherheitsrelevanten Beschädigungen aufweisen.

Die Typgenehmigung: Ihr Sicherheitspass


Nach bestandenen Prüfungen erhält die Felge eine Typgenehmigung – die Eintrittskarte für den legalen Einsatz im Straßenverkehr.

Aufbau und Bedeutung der Typgenehmigungsnummer


Die Typgenehmigungsnummer beginnt mit dem Buchstaben "E" gefolgt von der Ländernummer des genehmigenden Staates (beispielsweise E1 für Deutschland). Anschließend folgt die eigentliche Genehmigungsnummer mit zusätzlichen Erweiterungsnummern für spezifische Varianten.

Diese Nummer ist nicht nur ein bürokratisches Detail, sondern ein umfassendes Sicherheitszertifikat. Sie bestätigt, dass die Felge:
- alle gesetzlichen Anforderungen erfüllt
- für den Straßenverkehr zugelassen ist
- in allen EU-Mitgliedsstaaten und ECE-anerkennenden Ländern verwendet werden darf

Modellspezifische Gültigkeit


Am Beispiel eines Audi A4 wird deutlich, wie präzise die Typgenehmigung definiert ist. Sie gilt für bestimmte:
- Baujahre (z.B. B8 2008-2015 oder B9 ab 2015)
- Motorisierungen
- Ausstattungsvarianten
- Karosserieformen (Limousine, Avant, allroad)

Zusätzlich legt sie technische Parameter fest wie:
- zulässige Reifendimensionen
- erforderliche Einpresstiefe (ET-Wert)
- notwendige Befestigungselemente
- zusätzlich erforderliche Komponenten

Eine Typgenehmigung kann auch für baugleiche oder technisch verwandte Modelle gelten. Beim Audi A4 könnte die Felge auch für den A5 zugelassen sein, da beide auf der gleichen Plattform basieren. Dies muss jedoch explizit in der Genehmigung vermerkt sein.

Die Traglast: Das kritische Sicherheitsmerkmal


Die zulässige Traglast einer Felge ist weit mehr als eine technische Kennzahl – sie ist ein entscheidender Sicherheitsfaktor.

Technische Bedeutung


Die Traglast definiert das maximale Gewicht, das eine Felge aufnehmen kann. Sie wird in kg oder kN angegeben und muss mindestens der maximalen Radlast des Fahrzeugs entsprechen. Zusätzlich müssen Sicherheitsreserven für dynamische Belastungen einkalkuliert werden.

Bei der Fahrt wirken nicht nur statische Lasten durch das Fahrzeuggewicht, sondern auch dynamische Kräfte bei Kurvenfahrten, Bremsmanövern oder dem Überfahren von Hindernissen. Diese können die statische Last um ein Vielfaches übersteigen.

Sicherheitsrelevanz


Eine Überschreitung der zulässigen Traglast kann fatale Folgen haben:
- Materialermüdung durch kontinuierliche Überlastung
- Strukturelle Schäden, die von außen nicht erkennbar sind
- Im Extremfall ein plötzliches Versagen während der Fahrt

Besonders kritisch wird es bei dynamischen Belastungen durch Schlaglöcher oder Bordsteinkanten, die zusätzliche Kräfte erzeugen und die Felge an ihre Belastungsgrenze bringen können.

Rechtliche Aspekte


Für den Fahrzeughalter bedeutet dies in der Praxis:
- Die Traglast der neuen Felgen muss mindestens der Originalfelge entsprechen
- Bei Tuning oder Modifikationen muss die erhöhte Belastung berücksichtigt werden
- Die Kombination aus Felgentraglast und Reifentragfähigkeit muss ausreichend sein

Bei Nichtbeachtung drohen nicht nur technische Probleme, sondern auch rechtliche Konsequenzen: das Erlöschen der Betriebserlaubnis, Versicherungsprobleme im Schadensfall und bei Unfällen sogar strafrechtliche Folgen.

Kennzeichnung und Dokumentation: Transparenz für maximale Sicherheit

Jede zugelassene Alufelge trägt eine Reihe von Kennzeichnungen, die wichtige Informationen für Hersteller, Händler und Fahrzeughalter bereitstellen.

Die Kennzeichnung muss dauerhaft und gut lesbar angebracht sein und folgende Informationen enthalten:

KBA-Nummer (Kraftfahrt-Bundesamt): Jede in Deutschland zugelassene Felge muss eine KBA-Nummer tragen, die vom Kraftfahrt-Bundesamt vergeben wird. Diese fünfstellige Nummer (z. B. KBA-4XXXX) ist in die Felge eingegossen und dient zur eindeutigen Identifikation des Herstellers und der Zulassung

ECE-Prüfzeichen: Felgen mit einem ECE-Prüfzeichen (Economic Commission of Europe) sind europaweit zugelassen. Dieses Zeichen besteht aus einem „E“ im Kreis und einer Prüfnummer. Es zeigt an, dass die Felge ohne zusätzliche Prüfung oder Eintragung verwendet werden kann, sofern sie mit den freigegebenen Reifen kombiniert wird

Herstellerangaben: Angaben wie Herstellername, Teilenummer, Felgenmaße (z. B. Breite, Durchmesser, Einpresstiefe) und Lochkreis müssen auf der Felge sichtbar sein. Diese Daten helfen bei der Zuordnung zu Fahrzeugen und Modellen

Kennzeichnung nach Aufbereitung: Seit Januar 2023 müssen aufbereitete Felgen mit einem unverlierbaren Aufkleber oder einer ähnlichen Kennzeichnung versehen werden, die den Namen und die Anschrift des aufbereitenden Unternehmens enthält

Diese Kennzeichnungen sind kein Selbstzweck, sondern ermöglichen die eindeutige Identifikation der Felge und die Überprüfung ihrer Eignung für ein bestimmtes Fahrzeug.

Der Felgenwechsel: Was Fahrzeughalter beachten müssen


Wer sein Fahrzeug mit neuen Alufelgen ausstatten möchte, muss sorgfältig vorgehen, um rechtliche und sicherheitstechnische Anforderungen zu erfüllen.

Vor der Montage


Zunächst muss die Zulässigkeit der Felge für das spezifische Fahrzeugmodell überprüft werden:
- Liegt eine ABE (Allgemeine Betriebserlaubnis) oder ein Teilegutachten vor?
- Ist die Felge für das spezifische Fahrzeugmodell freigegeben?
- Stimmen die zulässigen Reifendimensionen?
- Passen die technischen Parameter (ET-Wert, Mittenzentrierung, Lochkreis)?

Die notwendigen Unterlagen müssen bereitgestellt werden:
- Original ABE/Teilegutachten der Felgen
- Fahrzeugschein und -brief
- Eventuelle zusätzliche Freigaben des Fahrzeugherstellers

Bei der Montage


Die technischen Anforderungen müssen präzise eingehalten werden:
- Verwendung der vorgeschriebenen Radschrauben oder Radmuttern
- Einhaltung der korrekten Anzugsdrehmomente
- Bei Bedarf Einsatz von Zentrierringen
- Beachtung des RDKS (Reifendruckkontrollsystems), falls vorhanden

Nach der Montage


Je nach Art der Zulassung sind unterschiedliche rechtliche Schritte erforderlich:
- Bei Felgen mit ABE: Mitführen der ABE im Fahrzeug
- Bei Felgen mit Teilegutachten: Eintragung in die Fahrzeugpapiere durch einen amtlich anerkannten Sachverständigen (TÜV, DEKRA etc.)
- Bei abweichender Reifengröße: Aktualisierung der Papiere

Zudem sind regelmäßige Kontrollen unerlässlich:
- Nach 50-100 km Fahrt sollten die Radschrauben/Radmuttern nachgezogen werden
- Eine regelmäßige Sichtprüfung auf Beschädigungen ist empfehlenswert
- Bei Auffälligkeiten wie Vibrationen oder ungleichmäßigem Verschleiß ist eine sofortige Überprüfung notwendig

Fazit: Mehr als nur schöner Schein


Alufelgen sind weit mehr als ein ästhetisches Upgrade für Ihr Fahrzeug. Sie sind hochkomplexe Sicherheitsbauteile, die strengsten Anforderungen genügen müssen. Der Weg von der Herstellung bis zur Montage am Fahrzeug ist von umfangreichen Vorschriften und Prüfungen geprägt – zu Recht, denn sie tragen maßgeblich zur Sicherheit im Straßenverkehr bei.

Als Fahrzeughalter sollten Sie beim Felgenkauf nicht nur auf das Design achten, sondern auch auf die korrekte Zulassung für Ihr Fahrzeugmodell, die passenden technischen Parameter und die ausreichende Traglast. Nur so können Sie sicher sein, dass Ihre neuen Felgen nicht nur gut aussehen, sondern auch den hohen Anforderungen des täglichen Straßenverkehrs gewachsen sind.

Die Investition in qualitativ hochwertige, typgeprüfte Alufelgen und deren fachgerechte Montage ist letztlich eine Investition in Ihre eigene Sicherheit und die anderer Verkehrsteilnehmer.

Quellen:


https://www.gesetze-im-internet.de/stvzo_2012/__22.html
https://op.europa.eu/de/publication-detail/-/publication/8cdec954-f6cd-11e9-8c1f-01aa75ed71a1/language-de
https://www.qz-online.de/a/grundlagenartikel/gebrauchsanleitung-zur-iatf-16949-316068
https://www.lackiererblatt.de/news/kennzeichnungs-pflicht/


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